Das erste Opfer von KI sind Prompt Engineers

2023 wurden Prompt Engineers wie Tech-Rockstars gefeiert - heute verschwindet der Titel, aber die Kompetenzen wandern weiter. Wo stehen wir 2025?

17.07.2025 09:56 von Christian

Vor gut zwei Jahren galt: Wer die richtigen Eingaben („Prompts“) für ChatGPT & Co. formulieren konnte, war gesucht und verdiente bis zu 335 000 US‑Dollar. Mittlerweile zeigt sich: Der Jobtitel „Prompt Engineer“ verschwindet. Aber heißt das, dass die Rolle an Bedeutung verloren hat?

Daten von Microsoft, zitiert im Wall Street Journal, zeigen, dass dieser Titel fast komplett aus Stellenanzeigen verschwunden ist. Firmen schulen stattdessen ihre bisherigen Mitarbeitenden in besseren Eingaben, ohne neue Spezialisten einzustellen. Modelle würden „verständlicher“, so Jared Spataro von Microsoft: Sie fragen nach, wenn etwas unklar ist - Prompt Engineers werden dadurch absolut entbehrlich.

Parallel dazu berichtet Indeed Hiring Lab, dass der Anteil von Stellen mit diesem Titel Ende 2024 bei nur 0,3 % aller KI-Jobs lag - ein Tiefpunkt. Mal ganz ehrlich: Prompt Engineering war oft mehr Marketing als echte Spezialisierung. LinkedIn-Profile zu diesem Titel sind seit Mitte 2024 um 40 % eingebrochen und jene Fähigkeiten sind in breitere Berufsrollen übergegangen.

Prompt Engineering war zwar populär, hatte aber nie die Tiefe technischer Rollen. Das echte Wachstum zeigt sich jetzt bei Machine-Learning-Engineers, die direkt an den Modellen arbeiten, mit deutlich höherer Eintrittsbarriere.

Statt dem Auslaufen flacher Prompt-Titel gibt es neue Gewächse im Tech-Ökosystem: Rollen wie AI-Trainer, Data Specialist und AI-Security-Spezialist wachsen laut Microsoft. Sie sind technisch anspruchsvoller und in strategisch relevanten Aufgaben angesiedelt .

Eine Fähigkeit bleibt, der Titel geht

Dass der Begriff „Prompt Engineer“ verschwindet, bedeutet nicht, dass Prompting keine Rolle mehr spielt. Im Gegenteil: Der Umgang mit KI-Eingaben ist in vielen Berufen längst selbstverständlich geworden. Die Fähigkeit, mit Sprachmodellen produktiv zu arbeiten, wird heute eher erwartet als beworben. Sie ist nicht verschwunden - sie ist aufgegangen in anderen Rollen.

Gleichzeitig verändert sich die Anforderungslage. Wo früher das Formulieren von Prompts im Mittelpunkt stand, rücken inzwischen andere Fragen in den Vordergrund: Wie lassen sich KI-Systeme in bestehende Arbeitsprozesse integrieren? Welche Daten sind erforderlich und wie müssen sie strukturiert sein? Wer ist verantwortlich, wenn Ergebnisse fehlerhaft oder problematisch sind?

Prompting ist heute kein eigener Beruf mehr. Es ist ein Werkzeug. Wer damit umgehen kann, hat Vorteile, aber eben nicht mehr automatisch ein Alleinstellungsmerkmal. Die Erwartungen haben sich normalisiert. Die Systeme auch.

Was bleibt, ist eine gewisse Ironie: Ausgerechnet ein Beruf, der davon lebte, KI zu verstehen, wurde als erster von ihr überflüssig gemacht.

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Über den Author

Christian

Ich bin Christian Seip - Softwareentwickler mit Schwerpunkt auf Web-Technologien. In den letzten Jahren war ich unter anderem als Lead Developer und Datenschutzkoordinator bei der Ströer-Gruppe tätig. Davor habe ich bei Amazon Games gearbeitet.

Ich schreibe hier, weil ich Dinge hinterfrage. Weil ich wissen will, was unter der Oberfläche steckt - technisch, gesellschaftlich und sprachlich. Und weil ich glaube, dass es nicht reicht, Dinge nur zu tun, ohne darüber zu reden.

Dieser Blog ist kein Tutorial-Archiv und keine Selbstvermarktung. Er ist mein Versuch, klare Gedanken zu formulieren und Position zu beziehen auch wenn es unbequem ist. Mal technisch, mal kritisch, mal persönlich.

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