Wenn Headhunter dein Profil verbrennen

Stell dir vor: Du bewirbst dich auf deinen Traumjob und bekommst eine Absage, weil dein Profil bereits „verbrannt“ wurde. Ohne dein Wissen. Ohne deinen Auftrag. In der Welt der Headhunter ist genau das längst Alltag. Aber wie schützt man sich davor?

19.06.2025 10:12 von Christian

Einmal kurz vernetzen und plötzlich bist du raus

LinkedIn. Ein netter Kontakt. "Hey, ich habe ein spannendes Projekt für dich, darf ich dein Profil weiterleiten?"
Du sagst: "Klar, schicks gern mal raus." Es wirkt harmlos, fast beiläufig. Kein Vertrag, kein Gespräch mit der Firma - nur eine lose Weitergabe.
Ein halbes Jahr später entdeckst du die exakt passende Stelle direkt bei dieser Firma. Du bewirbst dich, um dann zu hören: „Leider können wir dich nicht berücksichtigen - dein Profil wurde uns bereits von einem Vermittler präsentiert.“

Was du nicht weißt: Die Firma müsste jetzt eine Vermittlungsprovision zahlen. Und das obwohl euer Kontakt unabhängig vom Headhunter zustande kam.

Dein Profil ist verbrannt.

Headhunter-Typen im Überblick

Nicht jeder, der sich "Tech-Recruiter" nennt, arbeitet mit denselben Mitteln - oder mit denselben Absichten. Es lohnt sich, genauer hinzusehen:

1. Direktmandatierte Headhunter

Diese Recruiter arbeiten im Auftrag eines bestimmten Unternehmens.
Sie haben ein klares Mandat, suchen gezielt nach passenden Kandidaten und begleiten den Prozess strukturiert und transparent.
Risiko für dich: praktisch keines, die Weitergabe deines Profils erfolgt nur mit Zustimmung und Zweckbindung.

2. Erfolgsbasierte Vermittler

Hier fehlt oft ein direkter Auftrag. Stattdessen senden diese Vermittler Profile "auf Verdacht" an Firmen, in der Hoffnung, im Erfolgsfall eine Provision zu kassieren.
Risiko für dich: hoch - dein Profil kann durch die Hintertür an Firmen geraten, ohne dass du es je erfährst. Wenn du dich später dort bewirbst, ist dein Name "verbrannt".

3. Profilverwerter & Adresshändler

Die intransparenteste Gruppe. Ihr Ziel ist es nicht unbedingt, dich erfolgreich zu vermitteln, sondern dein Profil möglichst breit zu streuen, um Leads zu generieren oder Kundenbeziehungen zu erzwingen.
Risiko für dich: extrem hoch - dein beruflicher Ruf und deine Bewerbungsfreiheit können ohne dein Wissen eingeschränkt werden.

Wie entsteht eine Bindung ohne Auftrag?

Bei den Gruppen 2 und 3 stellt sich oft die Frage: Wie kann es überhaupt sein, dass Firmen zur Zahlung verpflichtet sind, obwohl sie nie einen Vermittlungsauftrag erteilt haben?
Die Antwort liegt in der rechtlichen Konstruktion vieler Vermittlungsmodelle: dem sogenannten "Erfolgshonorar mit stillschweigender Akzeptanz".

Warum das funktioniert:

Das mag auf den ersten Blick nach einem Schlupfloch klingen - ist aber durch Gerichte in vielen Fällen bestätigt worden.

Moralisch betrachtet ist es allerdings ein Graubereich: Der Kandidat wird instrumentalisiert, ohne Kontrolle über die eigene Bewerbungssituation.

Woran du seriöse Headhunter erkennst und wie du dich schützt

Der Übergang von einem "hilfreichem Kontakt" zu einer "karrieregefährdenden Vermittlung" ist oft fließend. Deshalb brauchst du ein gutes Gespür und ein paar klare Prinzipien:

Vertrauenswürdiger Headhunter oder Karrierekiller?

Seriöse Headhunter

Konkrete Schutzmaßnahmen:

Fazit

Recruiting kann dir Türen öffnen oder sie leise hinter deinem Rücken verschließen.
Wer unreflektiert sein Profil freigibt, verliert im Zweifel die Kontrolle über seine Bewerbungshoheit.
Gerade in der IT-Branche, wo gute Stellen heiß umkämpft sind, zählt nicht nur dein Können, sondern auch deine Sichtbarkeit und deine Unabhängigkeit.

Lass dich nicht verbrennen. Entscheide selbst, wo du dich bewirbst und wer dich wirklich vertreten darf.

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Über den Author

Christian

Ich bin Christian Seip - Softwareentwickler mit Schwerpunkt auf Web-Technologien. In den letzten Jahren war ich unter anderem als Lead Developer und Datenschutzkoordinator bei der Ströer-Gruppe tätig. Davor habe ich bei Amazon Games gearbeitet.

Ich schreibe hier, weil ich Dinge hinterfrage. Weil ich wissen will, was unter der Oberfläche steckt - technisch, gesellschaftlich und sprachlich. Und weil ich glaube, dass es nicht reicht, Dinge nur zu tun, ohne darüber zu reden.

Dieser Blog ist kein Tutorial-Archiv und keine Selbstvermarktung. Er ist mein Versuch, klare Gedanken zu formulieren und Position zu beziehen auch wenn es unbequem ist. Mal technisch, mal kritisch, mal persönlich.