Wenn Headhunter dein Profil verbrennen
Stell dir vor: Du bewirbst dich auf deinen Traumjob und bekommst eine Absage, weil dein Profil bereits „verbrannt“ wurde. Ohne dein Wissen. Ohne deinen Auftrag. In der Welt der Headhunter ist genau das längst Alltag. Aber wie schützt man sich davor?
Einmal kurz vernetzen und plötzlich bist du raus
LinkedIn. Ein netter Kontakt. "Hey, ich habe ein spannendes Projekt für dich, darf ich dein Profil weiterleiten?"
Du sagst: "Klar, schicks gern mal raus." Es wirkt harmlos, fast beiläufig. Kein Vertrag, kein Gespräch mit der Firma - nur eine lose Weitergabe.
Ein halbes Jahr später entdeckst du die exakt passende Stelle direkt bei dieser Firma. Du bewirbst dich, um dann zu hören: „Leider können wir dich nicht berücksichtigen - dein Profil wurde uns bereits von einem Vermittler präsentiert.“
Was du nicht weißt: Die Firma müsste jetzt eine Vermittlungsprovision zahlen. Und das obwohl euer Kontakt unabhängig vom Headhunter zustande kam.
Dein Profil ist verbrannt.
Headhunter-Typen im Überblick
Nicht jeder, der sich "Tech-Recruiter" nennt, arbeitet mit denselben Mitteln - oder mit denselben Absichten. Es lohnt sich, genauer hinzusehen:
1. Direktmandatierte Headhunter
Diese Recruiter arbeiten im Auftrag eines bestimmten Unternehmens.
Sie haben ein klares Mandat, suchen gezielt nach passenden Kandidaten und begleiten den Prozess strukturiert und transparent.
Risiko für dich: praktisch keines, die Weitergabe deines Profils erfolgt nur mit Zustimmung und Zweckbindung.
2. Erfolgsbasierte Vermittler
Hier fehlt oft ein direkter Auftrag. Stattdessen senden diese Vermittler Profile "auf Verdacht" an Firmen, in der Hoffnung, im Erfolgsfall eine Provision zu kassieren.
Risiko für dich: hoch - dein Profil kann durch die Hintertür an Firmen geraten, ohne dass du es je erfährst. Wenn du dich später dort bewirbst, ist dein Name "verbrannt".
3. Profilverwerter & Adresshändler
Die intransparenteste Gruppe. Ihr Ziel ist es nicht unbedingt, dich erfolgreich zu vermitteln, sondern dein Profil möglichst breit zu streuen, um Leads zu generieren oder Kundenbeziehungen zu erzwingen.
Risiko für dich: extrem hoch - dein beruflicher Ruf und deine Bewerbungsfreiheit können ohne dein Wissen eingeschränkt werden.
Wie entsteht eine Bindung ohne Auftrag?
Bei den Gruppen 2 und 3 stellt sich oft die Frage: Wie kann es überhaupt sein, dass Firmen zur Zahlung verpflichtet sind, obwohl sie nie einen Vermittlungsauftrag erteilt haben?
Die Antwort liegt in der rechtlichen Konstruktion vieler Vermittlungsmodelle: dem sogenannten "Erfolgshonorar mit stillschweigender Akzeptanz".
Warum das funktioniert:
- Recruiter sichern sich über AGB ab, die automatisch gelten, sobald ein Profil übermittelt wird.
- In diesen AGB steht z. B.: „Wird ein vorgestellter Kandidat innerhalb von 12 Monaten eingestellt, gilt dies als Vermittlungserfolg.“
- Selbst wenn die Firma die Mail ignoriert, aber später den Kandidaten einstellt, entsteht ein Vergütungsanspruch - weil eine "kausale Verbindung" hergestellt wurde. Juristisch nennt man das: procuring cause - der Headhunter war (wenn auch nur mittelbar) Auslöser der Einstellung.
Das mag auf den ersten Blick nach einem Schlupfloch klingen - ist aber durch Gerichte in vielen Fällen bestätigt worden.
Moralisch betrachtet ist es allerdings ein Graubereich: Der Kandidat wird instrumentalisiert, ohne Kontrolle über die eigene Bewerbungssituation.
Woran du seriöse Headhunter erkennst und wie du dich schützt
Der Übergang von einem "hilfreichem Kontakt" zu einer "karrieregefährdenden Vermittlung" ist oft fließend. Deshalb brauchst du ein gutes Gespür und ein paar klare Prinzipien:
Vertrauenswürdiger Headhunter oder Karrierekiller?
Seriöse Headhunter
- nennen dir konkrete Unternehmen, bei denen sie dich vorstellen
- holen deine explizite Einwilligung ein, bevor sie dich vorstellen
- führen ein Gespräch mit dir, bevor sie dein Profil weitergeben
- sind während des Prozesses erreichbar und transparent
Konkrete Schutzmaßnahmen:
- Gib dein Profil niemals zur Weiterleitung frei, wenn du nicht weißt, an wen es geht.
- Fordere schriftlich, dass dein Profil nicht ohne deine Zustimmung verwendet wird.
- Lass dir schriftlich bestätigen, dass keine Provisionsansprüche entstehen, wenn du dich später selbst bewirbst.
- Vermeide Recruiter, die sich auf Floskeln wie "Ich kenne da jemanden" oder "Ich halte dich mal warm" verlassen - das sind keine Partner, sondern Risikofaktoren.
- Dokumentiere Kontakte mit potenziell problematischen Recruitern - und teile diese Informationen in deinem Netzwerk.
Fazit
Recruiting kann dir Türen öffnen oder sie leise hinter deinem Rücken verschließen.
Wer unreflektiert sein Profil freigibt, verliert im Zweifel die Kontrolle über seine Bewerbungshoheit.
Gerade in der IT-Branche, wo gute Stellen heiß umkämpft sind, zählt nicht nur dein Können, sondern auch deine Sichtbarkeit und deine Unabhängigkeit.
Lass dich nicht verbrennen. Entscheide selbst, wo du dich bewirbst und wer dich wirklich vertreten darf.
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Über den Author
Christian
Ich bin Christian - Softwareentwickler. Über die Jahre habe ich in verschiedenen Rollen gearbeitet, unter anderem als Lead Developer und Datenschutzkoordinator in der Ströer-Gruppe sowie als Games Specialist bei Amazon Games.